Reisen als Wegweiser zu Dir selbst

14. AUGUST 2019

Ich hatte es beinahe schon verlernt. Das Reisen war für mich nur noch ein Relikt aus der Vergangenheit: alt, längst vergessen und antiquiert. Doch als ich vor drei Jahren wieder den ersten Schritt vor die Tür setzte, mit meinem kleinen Reisekoffer im Schlepptau, zögerlich, fast schon ängstlich, wurde mir plötzlich bewusst, dass ich diese Reise, die erste nach langer, langer Zeit, unbedingt antreten musste.

Es ging um mich und es ging darum, das Leben wieder zu spüren, wieder etwas zu empfinden und wieder ganz bei mir selbst anzukommen, denn ich hatte mich, ohne es zu merken, Stück für Stück von mir selbst entfernt, entfremdet und dadurch mein eigenes Leben fast schon vergessen.

 

Also machte ich mich auf, mein so gut wie verloren gegangenes Leben wiederzufinden, den Zugang zu mir selbst erneut freizulegen und hoffentlich zu begreifen, wer ich wirklich bin und wer ich definitiv nicht sein will, in einer Welt, in der alle Menschen gewissen Idealen und Zielen hinterhereifern, nur nicht den eigenen Wünschen und Träumen.

 

 

Als ich aufbrach, war ich voller Selbstzweifel. Es plagten mich Ängste, die ich kaum in den Griff bekam. Und wenn ich nun auf dieser Reise nicht zurechtkommen würde? Eine halbe Ewigkeit war es her, dass ich alleine gereist war. Und ich wusste nicht mehr, wie das geht: alleine Reisen! Ich hatte es verlernt. Dennoch nahm ich all meinen Mut zusammen und überwand meine starren Grenzen. Ich brach aus meiner Komfortzone aus. Zum ersten Mal nach sehr, sehr langer Zeit. Ich setzte den zweiten, dann den dritten Schritt voreinander und entfernte mich von der vermeintlichen Sicherheit meines Zuhauses. Mit jedem weiteren Schritt kam ich mir allmählich näher und wurde freier. So begann mit dieser Reise mein Weg zu mir selbst.

warum es guttut zu reisen!

In einer Welt, die laut, unübersichtlich, chaotisch und reizüberflutet ist, leben wir oftmals neben uns her. Wir fragen uns meistens nicht, ob das Leben, das wir führen, gut für uns ist. Wir tun, was von uns verlangt wird, gehen jeden Tag brav zur Arbeit, machen freiwillig Überstunden, versuchen um jeden Preis unseren Mitmenschen zu gefallen, verrichten Tätigkeiten, die uns eigentlich keinen Spaß bereiten, betäuben die Aussichtslosigkeit unseres hoffnungslosen Daseins abends vor unseren Fernsehgeräten und verplempern wertvolle Lebenszeit in den sozialen Foren und Netzwerken, nur um unserer selbst erwählten Perspektivlosigkeit aus dem Weg zu gehen. Da diese Praxis erprobt ist, hinterfragen wir sie auch nicht mehr. Wir fragen nicht, ob dass, was wir tun, sinnhaft und erfüllend ist. Doch brennen wir tatsächlich noch für unser Leben? Leben wir unser Leben? Oder leben wir das Leben der anderen? Vielleicht aber tun wir gar nichts von alldem.

 

 

Diese und weitere Sinnfragen umtrieben und quälten mich immer und immer wieder auf´s Neue. Doch ich stellte mich den Antworten nicht, denn ich wusste, dass die für mich ernüchternde Wahrheit dahinter ein Schlag ins Gesicht sein würde. Wir haben alle Angst vor unserem eigenen Potenzial. Lieber machen wir uns klein und verharren in einer Lebensstarre, anstatt hinaus in die Welt zu gehen und sie einfach zu erobern. So ist eben der Mensch!

 

Erst in dem Moment, als ich mich in das Taxi setzte, zum Flughafen fuhr, in den Flieger stieg, an meinem Reiseziel ankam und mich aufmachte, den mir völlig unbekannten Ort zu erkunden und zu entdecken, fing ich plötzlich an zu wachsen, nämlich über die Grenzen des mir bislang Möglichen hinaus. Ich wurde mit jeder Erkundungstour mutiger, waghalsiger und kühner. Und irgendwann hatte ich fast schon das Gefühl, Flügel verliehen zu bekommen.

 

 

Mit dem Umherstreifen, Beobachten und Entdecken wurde ich auch ruhiger. Ich beobachtete mehr, ich nahm die Menschen, die neue Umgebung, die Schönheiten und die neuen Eindrücke bewusst und ungefiltert wahr. Nichts fiel meiner ansonsten vernichtenden Wertung zum Opfer, sondern ich ließ alles, wirklich alles einfach nur auf mich wirken. Ich geriet dabei oftmals ins Staunen und ertappte mich dabei, wie ein Kind mit weit geöffneten Augen, die Welt für mich neu zu begreifen und überhaupt wieder zu verstehen.

 

Auch führte die neu gewonnene Aufmerksamkeit auf meine Umwelt dazu, dass ich lernte meine Konzentration zu fokussieren, achtsamer zu sein und weniger zu denken, dafür aber umso mehr zu fühlen.

 

 

Ich fühlte die Anstrengung in meinem Körper, die schmerzenden Füße nach einer ausgedehnten Erkundungstour. Ich fühlte jeden Windstoß, bemerkte den Wetterumschwung, nahm Stimmungen und Stimmengewirr wahr, saugte, wie ein Schwamm, alle Details in mich auf und mein mich plagendes, von Negativität besetztes, Gedankenkarussell wich plötzlich einem übergroßen Gefühl des "Bei-mir-Seins". Mein Kopf entleerte sich der unnützen, unproduktiven Gedanken mit jedem neuen Erlebnis, mit dem Wahrnehmen neuer Eindrücke und mit jedem Schritt, den ich tat.

 

 

Warum es guttut zu reisen? Es tut so gut, weil man sich in Bewegung setzt, sich von der Routine entkoppelt, Grenzen austestet, infrage stellt und sie letztendlich durchbricht. Es tut so gut zu reisen, weil man seinen geistigen, interkulturellen und räumlichen Horizont ausweitet und erweitert. Reisen bedeutet, sich zu bereichern an fremden Kulturen, Mentalitäten, Gebräuchen und Sitten, zu wachsen an den Erlebnissen, die sowohl positiv als auch negativ sein können, aber immer einen unersetzbaren Erfahrungswert für das persönliche Wachstum darstellen.

 

Reisen bedeutet Freiheit, Erprobung der eigenen Möglichkeiten, Persönlichkeitsentwicklung und Bewusstseinsfindung auf höchstem Niveau. Reisen ist für mich ein absolutes Lebenselixier. Reisen ist lebensbejahend. Reisen macht lebendig. Reisen ist authentisch, einzigartig und neben der Musik die beste, heilsamste Medizin für die Seele.

 

Ohne die Möglichkeit zu reisen, wäre mein Leben nur eindimensional und beraubte mich der Option an mir, meinen Stärken und Leidenschaften zu wachsen und zu gedeihen. Genau deshalb tut mir Reisen so gut! Auch und ganz besonders, weil es mir den Weg zu mir selbst ebnet.

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