Griechenland: Wandern in der ursprünglichen Region Epirus

25. November 2020

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Nicole Hacke

„Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land.“ Die antike Bergregion Epirus, welche im Nordwesten Griechenlands gelegen ist, gehört unumstritten zu einer jener märchenhaften Naturschauplätze, die von einer göttlichen Magie umgeben, so dermaßen fasziniert und in den Bann zieht, dass man nicht anders kann, als in die unberührte Vegetation der opulent sprießenden Landschaft und in ihr geschichtsträchtiges Erbe einzutauchen.

 

Am Voidomatis Fluss, der den Nationalpark Vikos-Aoos durchfließt, breche ich heute zu einer fünfstündigen Wanderung auf, die mich unterhalb des Gebirgsdorfes Papigo direkt am Flusslauf von einer epirotischen Steinbrücke zur nächsten führt.

 

Stein auf Stein gebaut, beeindrucken diese jahrhundertealten Bauwerke, die sich in einer Vielzahl bogenförmig über den Voidomatis Fluss spannen. Stürme, Unwetter und Naturgewalten strotzend, hielten die steinernen Verbindungsstücke zur Zivilisation bis in die heutige Gegenwart stand und charakterisieren die Region Epirus immer noch wie kaum eine andere.

 

©Nicole Hacke

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Das macht sie nicht zuletzt sehr beliebt bei touristischen Tagesausflüglern, sondern gleichermaßen attraktiv für den wanderaffinen Naturfreund, der auf seinen mehrstündigen Etappen der nostalgischen Fährte folgend so über die eindrucksvolle Vikos-Schlucht von Gebirgsdorf zu Gebirgsdorf ziehen kann.

 

Von der Aristi-Brücke ausgehend, beginnt meine heutige Wandertour auf dem letzten Wegabschnitt, der das Ende der Vikos-Schlucht markiert, entlang des kristallklaren, eiskalten Gewässers.

 

Ganzjährig mit Wasser gefüllt, lädt das erquickende Nass des Voidomatis Flusses zu abkühlenden Erfrischungen ein und erfreut sich zudem höchster Beliebtheit auch bei Wildwasserraftern. Im Hochsommer, wenn die Temperaturen die 40 Grad Marke überschreiten, liegen die Wassertemperaturen konstant bei etwa 9 Grad Celsius und versprechen somit ein belebendes Planschvergnügen für müde und ausgelaugte Wanderer.

 

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An der Aristi-Brücke verweilend, lasse ich erst einmal das unglaublich reizvolle Farbspiel der Natur auf mich wirken. Von hochgewachsenen Platanen überschattet, erscheint das Türkisblau des Wassers noch intensiver und in seinen Tiefen beinahe schon unergründlich. Kontrastiert von den goldglänzenden Baumkronen, die im Licht der Mittagssonne wie Goldtaler schimmern und dabei dem strahlend blauen Himmel den Rang ablaufen, erlebe ich ein Kaleidoskop griechischen Herbstzaubers, das mich emotional fesselt und gebannt auf die Schönheit dieser rauen, unbezähmbaren Natur starren lässt.

 

Nach einer Weile löse ich mich langsam aus meinem beinahe meditativen Intermezzo und folge dem lauschigen Naturpfad, der mich durch scheinbar immergrüne Waldabschnitte am Ufer des Voidomatis zu meinem Etappenziel nach Kleidonia führen soll.

 

©Nicole Hacke

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Durch hochgewachsene, sattgrüne Platanen, die von wildwüchsigen Moosen und Efeu überrankt, ausgesprochen beruhigend auf Geist und Seele wirken, schlängelt sich der schmale Pfad immer eben ab parallel zum Flusslauf des Voidomatis. Hin und wieder erreiche ich panoramareiche Lichtungen, die mir herrliche Ausblicke auf die umliegenden Ausläufer der Vikos-Schlucht ermöglichen.

 

Dabei blitzt auch der Fluss mit seiner unwirklich türkisblauen Farbe immer wieder durch das sich lichtende Blättermeer der Bäume.

 

An einer schattigen Uferböschung lege ich vorerst eine kleine Rast ein, nicht aber ohne meinen Füßen schon mal eine eisige Abkühlung  in einer der verhältnismäßig tiefen Bachbecken zu gönnen. Schon nach relativ kurzer Zeit spüre ich, wie es auf meiner Haut prickelt, wie mir scheinbar das Blut in den Adern gefriert und ich nach weniger als gefühlten zwei Minuten mit zusammen gebissenen Zähnen meine steif gefrorenen Beine schnell wieder aus dem Eisbach bewege.

 

©Nicole Hacke

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Nachdem ich so meine Durchblutung anständig auf Hochtouren gebracht habe, geht es weiter - und zwar bergauf. Ich lasse nun die märchenhafte Welt am Flussufer zugunsten einer kargen, rauen und äußerst schroffen Felslandschaft hinter mir zurück.

 

Immer höher steigend, gelange ich durch kurzen Strauchbewuchs im gleißenden Licht der Mittagssonne auf ein Plateau oberhalb des mittlerweile aus mehreren Metern Entfernung stark rauschenden Gebirgsstroms. Auf sehr abschüssigen alpinen Wegen hangele ich mich über teils erodierte Pfade hinweg, was stellenweise zu nicht ganz unriskanten Kletteraktionen führt.

 

So geht es im Wechsel eine gute Stunde stetig bergauf und wieder bergab, mal hinunter in die farbenprächtige Blätterwelt der mächtigen Platanen, dann wiederum bergauf in die alpin anmutenden Felslandschaften, von wo aus ich tiefe Einblicke in die steil unter mir herabfallende Schlucht erhasche.

 

©Nicole Hacke

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©Nicole Hacke / Blick auf das Astraka Massiv

Am wohl höchsten Punkt des Schluchtenverlaufs an einer sonnenverwöhnten Lichtung werde ich auf halber Strecke für die körperlichen Anstrengungen mit einem Wahnsinnspanorama auf den Astraka Koloss, der als Teil des Tymphi-Massivs schier senkrecht in den Himmel zu schießen scheint, belohnt.

 

Den Südtiroler Dolomiten ähnlich wirkt der kantige Astraka fast wie ein hocherhobener Thron, von dem aus die griechischen Götter einen nahezu unbegrenzten Weitblick über das nördlich gelegene Pindos Gebirge gehabt hätten, wäre der abgeflachte Gipfel als solcher genutzt worden.

 

Am fernen Horizont, hinter buschigem Gestrüpp und weit ausufernden Waldformationen vermute ich das Gebirgsdorf Papigo, welches in exklusiver Lage direkt unterhalb des 2000 Meter Massivs liegt und wohl zu einem der schönsten und malerischsten von 46 Zagori-Dörfern zählt.

 

©Nicole Hacke /Platanenwälder

©Nicole Hacke / Herbstzauber im Nationalpark der Vikos-Schlucht

©Nicole Hacke

Beeinflusst durch die osmanische Kultur, zeugen die Steindörfer noch heute von Wohlstand, was an den stattlichen Häusern und den Basiliken unschwer zu erkennen ist, die mit bisweilen achteckigen Glockentürmen aufwarten.

 

Doch meine Reise geht weiter über Stock und Stein. Zuerst will ich diese sagenhafte Schlucht durchqueren, bevor ich dem zauberhaften Gebirgsdorf einen Besuch abstatte.

 

Zeitverloren tauche ich nun noch tiefer ein in die überladend opulente Natur, die so viele Grüntöne vereint, wie sie noch nicht mal ein gut bestückter Malkasten reproduzieren kann.

 

Erneut in flachen Gefilden wandelnd, genieße ich das griechische Licht, das besonders in der herbstlichen Jahreszeit warmgolden mit den funkelnden Blättern und der strahlend reflektierenden Wasseroberfläche des Voidomatis um die Wette glänzt.

 

Vorbei an uralten Platanen gelange ich alsbald auf eine großflächige Lichtung, die zur Linken den Flussverlauf deutlich erkennen lässt. Zu meiner Rechten erheben sich imposante Monolithen, die wie versteinerte Riesen omnipräsent auf das stille Tal hinabblicken.

 

©Nicole Hacke

©Nicole Hacke / der glasklare Voidomatis-Fluss

©Nicole Hacke

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In einer Landschaft aus rostbraunen Farnen mache ich halt und bestaune zum wiederholten Male die urwüchsige, wildwuchernde Natur, die für mich ein Erlebnis der ganz besonderen Art darstellt.

 

Nicht eine einzige Menschenhand hat es jemals auch nur gewagt, den Busen dieser so ursprünglich gebliebenen Natur zu berühren. In tausenden, wenn nicht sogar in Millionen von Jahren, ist hier in der Region Epirus kein künstlicher Eingriff in diesen unverwechselbaren Landschaftsstrich erfolgt.

 

Und genau deshalb erlebe ich eine Wildnis, wie es sie wahrscheinlich nur noch in den großen Nationalparks der Welt zu bewundern gibt.

 

©Nicole Hacke

Auf einem letzten Aussichtspunkt, kurz vor dem erreichten Etappenziel in Kleidonia, blicke ich pausierend nochmals hinab auf den karibisch blauen Fluss, der mich zu Tagträumereien verleitet.

 

Ob sich wohl der Wanderer über dem Nebelmeer, der so eindrucksvoll von Caspar David Friedrich auf Leinwand verewigt wurde, ebenso erhaben und der Welt entrückt gefühlt haben muss, wie ich just in diesem Moment an diesem magischen Ort?

 

Als ich nach dreistündiger Wanderung endlich die steinerne Brücke von Kleidonia erreiche, weiß ich zumindest, dass Friedrichs Wanderer vom Glück gesegnet, in grenzenloser Freiheit selbstbestimmt durch die Natur streifen konnte.


Moderate Wanderung vom Ortskern in Litochoro durch die Schlucht des Olymps nach Prionia


Start: von der Aristi-Brücke unterhalb des Steindorfs Papigo

Streckenlänge: 5,3 km

Aufstieg: 163 m

Tourenart: Schluchtenwanderung

Dauer: 5 Stunden (retour)

Schwierigkeitsgrad: moderat, Kondition und Trittsicherheit erforderlich

     

Ausrüstung: Funktionsbekleidung, Wanderschuhe, Wechselkleidung, ausreichend Proviant und Wasser (min. 2 Liter).

     

Von der Aristi-Brücke ausgehend, führt ein schmaler, gut gepflegter Wanderpfad zu Beginn eben ab durch urwaldähnliche Platanenhaine.

 

Nach einer halben Stunde Fußmarsch steigt der Weg stetig bergauf und erreicht auf 163 m den höchsten Punkt der Schlucht. Sagenhafte Ausblicke auf den türkisfarbenen Voidomatis und die umliegende Bergkulisse werden immer wieder frei gelegt.

 

Nun geht es ständig mal bergauf, dann wieder bergab, sodass man bei schweißtreibenden hochsommerlichen Temperaturen immer wieder in die Schatten spendende, dicht bewachsene Platanenvegetation eintauchen kann.

 

Eine besonders erfrischende Abkühlung verschafft ebenfalls ein kurzes, erquickendes Bad im Fluss des Voidomatis. Die Wassertemperaturen sind so kalt, dass einen beinahe die Zehen abfrieren. Danach ist man aber wieder hellwach, putzmunter und so gut durchblutet, dass die Füße regeneriert nun einen wahren Marathon hinlegen können.

 

Am Ziel in Kleidonia darf man die geschichtsträchtige Steinbrücke bestaunen, um dann wieder den Rückweg zum Ausgangspunkt anzutreten.

 

©Nicole Hacke / Steindorf Papigo mit Blick auf das Astraka Massiv

Nach der fünfstündigen Wanderung entlang des Voidomatis lockt das Astra Inn in der Ortschaft Papigo mit ausgefallenen, typisch gebirgsregionalen Speisen. So gibt es hier nicht etwa den klassisch griechischen Salat mit Tomaten, Fetakäse und Zwiebeln, sondern eine erfrischend innovative Abwandlung des bodenständigen Klassikers.

 

Mit Granatapfelkernen, Parmesan, Blutorangen und vielerlei frischen Kräutern aus dem hauseigenen Garten kredenzt die junge Köchin Speisen, die nicht nur den Gaumen, sondern auch das Auge erfreuen.

 

Eine besondere Spezialität sind die frisch aus dem Wald gepflückten Wildpilze, die geschmacksexplosiv einfach nur noch auf dem Gaumen zergehen.

 

©Nicole Hacke / Essen im Astra Inn

©Nicole Hacke

Ein anschließender ausgedehnter Spaziergang durch Papigo lohnt, da der Ort mit seinen ursprünglichen Steinhäusern eine sehr eigene, originelle Ästhetik versprüht. Zudem genießt man von der Basilika den wohl schönsten Panoramablick auf das Astraka Massiv.

 


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