nicht ohne meine Wanderschuhe

10. MÄRZ 2020

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Nicole Hacke / Meine Wanderschuhe von Scarpa

Da saß ich nun vor dem Schuhschrank und war kurz davor in Tränen auszubrechen. Wo waren meine Wanderschuhe? Ich konnte sie einfach nicht finden. Angestrengt überlegte ich, ob ich sie vielleicht irgendwo anders deponiert hatte. Nur wo? Fast eine geschlagene Stunde hatte ich damit verbracht, meinen Schuhschrank komplett auf links zu drehen. Überall vor meinen Füßen lagen nun Berge von Schuhpaaren, mit denen ich rein gar nichts anfangen konnte, denn ich brauchte weder Pumps, noch Stiefeletten, sondern ganz, ganz dringend meine über alles geliebten Wanderschuhe.

 

Als ich meinen Mann aus lauter Verzweiflung am späten Abend fragte, ob er irgendeine Idee hätte, wo meine Bergschuhe abgeblieben sein könnten, antwortete er, wie selbstverständlich: „Klar“. Ich habe sie in die Garage gestellt.


“ Wie bitte?" Hatte ich mich da irgendwie gerade verhört. "Wieso in die Garage?" Was hatten meine Schuhe denn dort zu suchen, an einem Ort, an dem bitte alles andere abgestellt oder geparkt werden konnte, nur nicht meine Wanderschuhe! Trotz meiner Empörung war ich dennoch erleichtert, dass ich sie wieder hatte, meine Schuhe, die mich seit nunmehr drei Jahren über Stock und Stein trugen, die mittlerweile ihre eigene Geschichte erzählten und ohne die meine Füße jetzt wohl um ein Wohlgefühl und um viele tausende Laufkilometer ärmer wären.

 

©Nicole Hacke / im Rappenalptal bei Oberstdorf

©Nicole Hacke / im Rappenalptal Richtung Einödsbach

nicht ohne meine Wanderschuhe

 

Ja, warum wohl nicht! Es gibt Dinge im Leben, daran hängt mein Herz. Generell habe ich es mir zwar abgewöhnt einen emotionalen Bezug zu materiellen Dingen zu kultivieren. Doch mit meinen Wanderschuhen verhält es sich ausnahmsweise einmal anders. Sie bilden quasi die Ausnahme von der Regel.
Als ich in einem kleinen Schuhladen im französischen Charmonix unterhalb des Mont Blanc das erste Mal auf sie stieß, war es Liebe auf den ersten Schritt. Meine italienischen Fußkavaliere (ich trage Wanderschuhe vom italienischen Hersteller Scarpa) schmiegten sich von Anfang an wie angegossen an mein Fußbett. Ich konnte in ihnen sofort, wie auf Wattewolken, laufen und in ihnen unbekümmert und wendig herumhüpfen wie eine junge Gemse die Berge rauf und runter.

 

Es war sofort ein Hochgefühl, wie ich es tatsächlich noch nie zuvor in einem anderen Wanderschuh verspürt hatte. Die verhassten Vorgänger, die immer ungeliebt in die nächstbesten Ecke geschmettert wurden, sobald ich von einer Wanderung zurück kam, hatten mich viele Jahre gequält, mir schmerzhafte Blasen zugefügt und mir nie ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen vermittelt. Wie auf rohen Eiern lief ich mit ihnen durch die Wildnis der Natur, unsicher über Steinsbrocken und unwegsames Geröll wankend, aber nie mit einer Trittsicherheit und Souveränität, die mir definitiv zugestanden hätte.
Somit war ich froh, als die alten durchgelatschten Treter endlich, nach jahrelangen schmerzvollen Erfahrungen, ihren Geist aufgaben und ich mich ohne schlechtes Gewissen von diesen ungeliebten Weggefährten trennen durfte.

 

©Nicole Hacke / im Rappenalptal bei Oberstdorf

©Nicole Hacke /  Wanderung in Richtung Rappenalptal

Mit den neuen Wegbegleitern an meinen Füßen änderte sich plötzlich alles. Das Wandern machte wieder Spaß, gab mir Mut und Zuversicht auf Berge zu steigen, mich in hochalpines Gelände vorzuwagen und es tatsächlich auch zu tun.


Im Leben nicht hätte ich mir Gipfelbesteigungen auf das Nebelhorn, den Kramer oder den Wank zugetraut, gäbe es sie nicht, diese superleichten, superbequemen und passgenauen Allzweckläufer, die ich wirklich nie mehr von meinen Füßen getrennt wissen möchte. Sogar eingeschlafen bin ich einmal mit Ihnen, so kaputt und ausgelaugt fühlte ich mich nach einer achtstündigen Wanderung, dass sie mit meinen Füßen eins geworden, kaum noch zu spüren waren.


Nicht viele andere Wegbegleiter sind es wert mit liebevollen Worten, Anekdoten und Geschichten bedacht zu werden, auch wenn es ein Paar Pumps gibt, mit denen ich schon unzählige schöne Konzerterlebnisse hatte und die mich zumindest mehr oder minder sicher über Treppenstufen in die heeren Musentempel dieser Welt begleitet haben.


Doch wieviel mehr Abenteuer, Freiheit und Entdeckergeist steckt in einem Wanderschuh, steckt in meinen Wanderschuhen? Sie sind unersetzbar, sie sind meine verlässlichen Partner in den Bergen, die mir Sicherheit geben und mir maximale Risikominimierung versprechen. Vor allem aber begleiten sie mich in kritischen Momenten, verankern mich fest im Boden, wenn ich mal am Abgrund stehe und führen mich auf unebenen, steilen Pfaden sicher weiter, immer weiter in Richtung meines avisierten Ziels.


Darum kann ich nicht ohne meine Wanderschuhe, denn sie sind, vielmehr als nur reines Wandervergnügen, ein emotionales Symbol, das ganz entschieden für meinen Aufbruch in das Wagnis „Leben“ steht.

 

Eure

 

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