warum mich die Großstadt einengt und ein leben auf dem land nach freiheit ruft

07. Juni 2021

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

im Altstadtkern von Blankenheim in der Eifel

„Raus, raus, einfach nur raus hier.“ Wie hatte ich es all die Jahre bloß in diesem Großstadtlabyrinth aushalten können, das zudem noch mit einer Aneinanderreihung quadratisch funktionaler Häuserblöcke übersäht war, durch die sich weder der Horizont noch die aufgehende Sonne jemals blicken ließen.

 

Seit über 10 Jahre lebte ich nun in der Großstadt, atmete unfreiwillig den Abgasmief der blechernen Autokarawanen ein, lauschte genervt dem tosenden Lärm der Straßen und passte mich genauso widerwillig dem hektischen Treiben seiner Bewohner an.

 

Mit der Corona-Krise schlichen sich Zweifel bei mir ein, ob ich mich in der Stadt wirklich so frei fühlte wie ich immer dachte. Sie zersetzten letztendlich den Glauben daran, dass ich als Stadtmensch alle Freiheiten und Privilegien genoss, die mir auf dem platten Land niemals zuteilgeworden wären.

 

Mittlerweile sehe ich die Sache differenzierter. Seitdem ich mich unmaskiert kaum noch irgendwo frei bewegen kann, werde ich das dumpf schmerzende Gefühl nicht los, dass die Freiheit irgendwo anders beheimatet ist, nur ganz sicher nicht in den einengenden vier Wänden meines Zuhauses, geschweige denn in den immer enger werdenden Ballungsräumen der Großstadtmetropole, in der ich derzeit noch lebe.

 

Symbiose aus Natur und Stadt in Blankenheim in der Eifel

beschauliches Kleinstadtflair in Monschau

Auch wenn ich gerne daran zurückdenke, wie sehr es noch vor über einem Jahr Spaß machte, ins Konzert zu gehen, Kultur zu erleben, das trubelige Geschiebe der Menschenmassen in den Einkaufszonen und engen Gassen aus sicherer Entfernung in einem Café sitzend zu beobachten, so merke ich gerade jetzt ganz deutlich, dass all diese wunderbaren Vorstellungen von einem quirligen, aufregenden Stadtleben reine Illusion sind.

 

Stadtleben, so wie ich es kannte, ist so nicht mehr existent, genauso wenig wie die vermeintliche Freiheit, die es in ihr scheinbar auch nie wirklich gab.

 

Eingepfercht in einer Fantasie aus Konsumträumen und einem Leben im schicken Szeneviertel mit Geld, Karriere und dem immer unerschwinglicher werdenden Duft der großen weiten Welt, saß ich jahrelang der übergroßen Lüge auf, dass ich nur wer bin, wenn ich es in der fremden, anonymen Allerweltsoase zu etwas gebracht hätte.

 

Status, Wohlstand und ein elitäres soziales Umfeld. Sind das nicht die Errungenschaften eines städtischen Lebens, eines Lebens, das ganz klar auf der Überholspur geführt wird?

 

Wenn damit etwa das grau marmorierte Stadtbild, der bleiern schwere, immer gleichförmige lärmende Alltag und der an Nerven zehrende zähflüssige Straßenverkehr gemeint sind, vermengt mit einem Leben, das zudem noch wenig Raum für Zeit zur Erholung und Entspannung lässt, dann liegt der wahre Luxus eines qualitativ hochwertigen Lebens nicht in der Großstadt, sondern ganz woanders.

 

Felsenweg in der Eifel

Und zwar draußen in der unendlichen Weite der Natur, in den Bergen auf hohen Gipfeln, im Wald beim Spazierengehen, am Strand mit Blick auf den Sonnenuntergang oder aber in einem kleinen, beschaulichen Provinznest, in dem die Mühlen langsamer mahlen und das Leben entzerrter, übersichtlicher und Zeit endlich mal eine übergeordnete, substanziell wichtige Rolle spielt.

 

Man meint, dass die Menschen, die es nie aus der Provinz geschafft haben, es im Leben auch nicht wirklich zu etwas gebracht haben, da sie wohl auf der Stelle tretend, immer nur im gleichen Trott ihr immer gleiches soziales Umfeld pflegen und ihrem geistigen weltlichen Horizont auch nie weiter nacheifern als bis knapp vor die eigene Haustür.

 

Doch diese Sicht der Dinge ist lediglich eine eingeschränkte Sicht der Dinge. Eine andere Perspektive souffliert mir, dass klare Strukturen sich nur dann für einen auftun, wenn der Minimalismus zur Lebensart wird, wenn sich das Chaos im Geist durch Bodenhaftung, Verwurzeltsein und einem gesunden Lebensrhythmus  verflüchtigt.

 

Und das tut es wirklich nur mit Entschleunigung und einer „Weniger ist mehr“ Einstellung.

 

Felsenweg in der Eifel

Außerhalb der Stadt fülle ich meine Lungen voll mit gesunder Luft. Außerhalb der Stadt bin ich nicht mehr ein anonymisiertes Wesen, eine Vorgangs- bzw. Personalnummer, sondern ein Mensch unter Menschen, der vielleicht noch nie die große weite Welt entdeckt hat, der aber besser weiß, wie ein gutes Leben funktioniert, was Zwischenmenschlichkeit im engsten Gemeinschaftssinn bedeutet, wie ein soziales Miteinander aktiv gepflegt wird und wie man mit wenig Reizüberflutung auskommend ein deutlich reicheres, intensiveres Leben direkt am Nabel des eigenen Daseins führt.

 

Auf dem Land, draußen in der Natur lausche ich ganz anderen Geräuschen als in der Stadt. Ich vernehme Vogelgezwitscher, den frühen Hahn, der zum Morgenappell ruft und damit auch den verschlafensten Morgenmuffel aus dem Bett reißt.

 

Ich spüre die unendliche Freiheit, wenn ich vor die Haustür trete, sehe die aufgehende Sonne am unendlichen Horizont und werde geflutet von einem Glücksgefühl, das so einfach, so minimal, aber einen so nachhallenden Effekt auf mich und mein seelisches Wohlbefinden hat, dass es mich nach nicht viel mehr verlangt.

 

Die permanente Unzufriedenheit, die innere Unruhe, der emotionale Stress, die konsumangereicherte Ablenkung, das ständige Verfügbarsein, das alles haben können und dennoch mit FOMO auf du und du ständig den ultimativen Kick verpassend, machen das Stadtleben zu einem Marathonlauf, bei dem man niemals als Gewinner eines selbstbestimmten, reflektierten Lebens hervorgehen kann.

 

begrüntes Kleinstadtleben in Monschau

Monschau in der Eifel

Kleinstadtidyll in Monschau in der Eifel

Ich kann mir nicht helfen: Das Landleben scheint mir einfach harmonischer, idyllischer und friedlicher. Die Wucht der Katastrophen, der kollektiven Krisen und der chaotischen Gesellschaftsverhältnisse erscheinen dort deutlich abgemilderter bis fast überhaupt nicht wahrnehmbar. Wie ein ruhiges Gewässer, so fließt es in den Auenlandschaften des Landlebens, gleichförmig, vielleicht etwas monotoner, unaufgeregter, aber still und behäbig vor sich hin.

 

Entgegen dem schnelllebigen Veränderungsdrang in den pulsierenden Städten bleibt das Leben auf dem Land beständig, unverrückbar und ein sicherer Hafen in volatilen Zeiten.

 

Und auch die Freiheit ist dort eine Währung, mit der man in den Städten dieser Welt nicht mehr so gut bezahlen kann, wenn man es überhaupt je konnte.

 

Ich will das Stadtleben nicht verteufeln. Ich habe es gelebt und lebe es weitestgehend immer noch. Ich brauche es sogar bis zu einem gewissen Grad. Doch der hört dort auf, wo ich mein kulturelles Erleben ausgeschöpft habe. Konsum, Hektik, Lärm, Menschenmassen, Bars, Restaurants und Cafés, die brauche ich nicht ständig.

 

Was mir aber absolut abgehen würde, was mich meiner Lebensfreude und Energie berauben würde, das wäre die absolute Abstinenz der Natur, die ich zum Leben nunmal benötige und die mein Dasein reich und wertvoll macht.

 

Mit der Natur verbunden sein zu dürfen, ist für mich das menschlichste Bedürfnis schlechthin, wenn nicht sogar eine elementare Notwendigkeit.

 

im Altstadtkern von Monschau

Sicherlich ist es so, dass ich in meinem Leben nicht gänzlich auf die Stadt verzichten kann, dass ich ab und an einen Tag in ihr verbringen möchte, um das quirlige Leben auf den Straßen, das kunterbunte Treiben in den Cafés und Bars zu erleben und einfach nur in den Trubel einzutauchen, rein um des Trubels willen.

 

Doch am Ende tanke ich meine Energiedepots nicht in der pulsierenden, nervösen Stadt auf, sondern dort, wo in der Ruhe ganz klar die Kraft liegt und die Natur förmlich nach Freiheit ruft.

 

Vielleicht bin ich aber auch ein Zwitter, der beides in sich vereinen muss, um seine innere Mitte ausbalanciert zu wissen: Ein bisschen Stadt und ganz viel Land - Landleben eben!

 

Wo sieht es mit euch aus? Seid ihr mehr Stadtmensch oder Landei? Ich freue mich auf eure Meinung zu diesem spannenden Thema.

 

Eure


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